Ein Tag bei Ulla Popken

Ulla Popken Zentrale

Ende Dezember führt mich mein Weg weit in den Norden – nach Rastede.

Als Städterin trete ich meinen Besuch auf dem Land mit Vorurteilen an. Dort angekommen,  entdecke ich wie schön die Provinz sein kann. Rundherum neblige Felder, saftige Wiesen und  dazu das Rauschen der Autobahn, beruhigt das Städterherz. Mitten drin: Ulla Popken: von der  Ideenfindung bis zum Versand, alles unter einem Dach. Über 650 Mitarbeiter sind hier, in den unterschiedlichsten Jobs, beschäftigt.

Bei meiner Führung gehen wir durch alle Abteilungen. Ich bin total begeistert, als sich, in  dem siebenstöckigen Lager, plötzlich 30 Blazer auf einer Kette in Bewegung setzen  und, als hätten sie einen Termin, an uns vorbeischweben und irgendwo zu ihrem  Bestimmungsort fahren. Vielleicht geht es zum Versand, vielleicht räumt hier auch jemand, an den Knöpfen sitzend, auf oder man will mich erschrecken! Fest steht, ich mag es wenn alles funktioniert und das möglichst von allein.

Wie die Kreativität in die Provinz kommt

Als wir in den Kreißsaal jedes Kleidungsstückes kommen, bin ich platt.

Räume voll mit farblich sortierten Stoffen, Zeitungsschnippseln, alle möglichen Materialien und Inspirationshilfen. Wie ein großes Suchbild, vor dem ich es sehr lange aushalten kann, präsentiert sich die Geburtsstätte der mehr als 10 Kollektionen, die jährlich auf den Markt kommen: Das Design.

Leider darf ich keine Bilder machen, klar Konkurrenz und so. Aber wo kommt das ganze Zeug denn her? Und wo holt man sich in Rastede die Inspiration?

Gar nicht, lerne ich von Alice Jarosch, Cordula Rechenberg und ihrer Chefin Barbara Arnold-Reinschmidt. Die Damen fliegen, je nach Linie die sie betreuen, nach N.Y., London, Paris und rüsten sich für die Modetrends. Jetzt gerade kommen sie aus Istanbul, die Taschen voll mit Stoffen und Ideen im Kopf.

Aktuelle Ulla Popken Instagramies

Wie jeder andere Modedesigner auch, gehen sie zu den großen Schauen, auf Messen oder beobachten, speziell in London, was ihnen dort auf der Straße entgegenkommt. „London ist für jede von uns, ob sie für Selection, Casual oder City entwirft, eine Quelle der Inspiration. Es ist eine der kreativsten Städte der Welt und auch im Straßenbild finden sich viele Innovationen.“, sagt Alice Jarosch. Außerdem, so erfahre ich, gibt es für Designer eine Plattform, auf der weltweit abfotografierte Schaufenster hochgeladen werden.

Dass das alles so aufwendig ist… Aber klar, ich kenne ja nur das fertige Teil oder die Trendvorschauen, aus Magazinen und der Fashion week. Dass die einen erheblichen Vorlauf haben, war mir zwar klar, nur die ganze Fachkompetenz, die dahinter steht, hatte ich wohl unterschätzt.

Mode ist Mode ist Mode

Wo denn die Unterschiede liegen zu einer Kollektion, die bei Größe 42 los geht und nicht dort aufhört, will ich wissen. Cordula Rechenberg:

„Als Modedesignerinnen gehen wir an die Entwürfe ran, wie jede andere auch. Wir schauen, was sind die Trends, die Themen, Farben, Materialien dann legen wir los und entwickeln. Später kommen auch mal Live-Models dazu, um zu sehen wie das Teil sich in Bewegung verhält. In anderen Modehäusern läuft das nicht anders ab.“
Alice Jarosch: „Die Hotpants z.B. gehen bei uns nicht bis knapp unter den Po, sondern sind ein paar Zentimeter länger, anders würde wir die auch nicht verkauft bekommen. Hotpants sind sie trotzdem.“

Ich merke, dass ich Fragezeichen auf den Köpfen erzeuge, wenn ich jetzt noch mal nachhake. Hier sitzen mir Profis gegenüber und die Frage, ob und was denn aus Designersicht so anders ist für Übergrößen zu entwerfen, ist eigentlich mit einem Wort zu beantworten: nichts.

Deutschland das Stiefkind der Plus Size Industrie?

Später frage ich Thomas Schneider, Geschäftsführender Gesellschafter, warum es denn so wenig Plus Size Shops und Marken in Deutschland gibt.

Er sagt: „Für eine Übergröße reicht es nicht, dass die Schnitte einfach breiter werden, es bedarf einer anderen Schnittführung. Außerdem wollen die Frauen aktuelle Mode tragen, einfach nur ein paar Basics in XL auf die Stange hängen, so wie es viele Anbieter tun, funktioniert nicht als alleiniges Geschäftsmodell“

Ich spreche meine Idee von einem Curvy Kaufhaus an und trete offene Türen ein. UP testet gerade mit anderen Marken, z.B. S. Oliver, bei Kaufhof in mehreren Städten eine Shop-in-Shop Lösung für große Größen. 

Shops eröffnen ist sowieso Schneiders liebstes Thema. 2012 feiert Ulla Popken 25jähriges Jubiläum. Rückblickend sagt  er:
„Die schönsten Momente waren immer die Shoperöffnungen. Wir haben einen riesigen Einladungsverteiler und es war   immer was ganz besonderes, die vielen Damen vor Ort zu haben. Lange Zeit ja sogar mit Ulla persönlich. Die ganze   Atmosphäre an einem solchen Tag gehört definitiv zu den Highlights meiner Karriere.“

Die Kundinnen bestimmen

Aber es gab auch harte Zeiten. Die Anfänge in den USA z.B. „Wir kamen mit der Ulla Fahne in der Hand und dem Erfolg aus Deutschland im Rücken dort an und mussten feststellen, dass definitiv keiner auf uns gewartet hat. Die Konkurrenz war groß und die Konsumentinnen hatten andere Wünsche, als unsere Deutschen Kundinnen.“

Durch diesen langjährigen Amerikaaufenthalt geprägt, kehrten er und seine Frau 2008 nach Deutschland zurück und merkte schnell, dass sich etwas ändern musste.
Viele Kundinnen kauften jetzt online bei der Konkurrenz, das eigene Angebot entsprach nicht mehr den Wünschen der Damen und die jungen Frauen wollten von UP schon mal gar nichts mehr wissen.

Während unserer Plauderei erzählt Herr Schneider mir von einer US Marke, namens The forgotten Women. Wir sind uns nicht sicher ob wir lachen oder weinen sollen. In dieser Stimmung frage ich, warum wohl Ulla Popken ein so negatives und altbackenes Image anlastet. Er ist nicht, wie ich befürchtet hatte, vor den Kopf gestoßen sondern erklärt.

„Wir alle haben in den letzten Jahren viel verändert und nachgeholt. Die Kundinnen haben sich verändert und wir mussten das auch. Als wir wiederkamen stand gerade ein Generationenwechsel an. Viele Mitarbeiter hatten das Rentenalter erreicht, einige gute Leute musste ich von anderen Unternehmen zurück erobern. Vor drei Jahren gingen wir mit einer neuen Mannschaft an den Start. Heute bekommen wir viel positives Feedback und die Zahlen stimmen auch wieder.“

miss BARTOZ im Paradies

Hinter der nächsten Tür hätte ich mich am liebsten einschließen lassen. Alles voll mit Schuhen, Taschen, Schals, Schmuck, Haarbändern aus der ganzen Welt: Die Accessoire Abteilung! Ich kam richtig ins Schwitzen. Vielleicht vergisst mich die nette Dame von der Unternehmenskommunikation ja einfach hier…ich hätte nichts dagegen.

Dort treffe ich Verena Sponagel, ihres Zeichen Produktmanagerin und verantwortlich für Schuhe und Accessoires bei UP. „Sie haben meinen Traumjob“ falle ich gleich mit der Tür ins Haus. Frau Sponagel lächelt und erwidert: „Das finde ich auch!“

Gestartet ist sie in der DOB, hatte aber schon immer mehr Interesse an dem ganzen was noch dazu gehört.Vor zwei Jahren wurden Schuhe in das (online) Sortiment aufgenommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste sich jemand hauptberuflich um das Thema kümmern. Bei den Weitschaftstiefeln führt UP die weitesten Größen und alle Schuhe sind mit einem besonderen Fußbett versehen. Solch eine Produktion, mit ergänzendem Einkauf, muss geplant und kontrolliert werden.

Accessoires von Ulla Popken

„Die UP Kundinnen mögen es in der Kleidung manchmal auch schlicht, bei den Accessoires aber dafür umso bunter.“ Sagt Frau Sponagel.  Außerdem muss auch hier die Größe stimmen. Eine enganliegende Kette darf die Trägerin nicht  würgen und eine lange nicht an der falschen Stelle zu Ende sein.

Was ihre persönlichen Must  have`s sind? Ein Pashmina-Schal, gern in den ‚nicht-Farbenʼ wie Taupe, der lässt sich lässig, aber  auch als Stola tragen. Schlichte, edle Ohrringe für jeden Tag und eine klassische, edle Handtasche. Frau Sponagel war die einzige curvy Lady, die ich interviewt habe und klar, macht sie beim Styling der Woche mit.

Im Zug Richtung Heimat lasse ich den Tag noch mal Revue passieren. Warum wohl, hat diese Marke bei vielen Plus Size Ladies so ein schlechtes Image und ist doch gleichzeitig recht erfolgreich oder ist das meine selektive Wahrnehmung?

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Über Ulla Popken:

Ulla Popken gilt als die Urmutter der großen Größen in Deutschland. Das Unternehmen betreibt über 300 eigene Filialen in acht Ländern und weitere 100 Fanchise Läden weltweit. Der Online-Shop ist in zehn Ländern vertreten. Seit diesem Jahr gibt es auch das männliche Pedant, „JP 1880“, (benannt nach Johann Popken) sowohl on- als auch offline.

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Über Ulrike Bartos 321 Artikel
Gründerin von miss BARTOZ einer der ersten deutschsprachigen Websites für Frauen mit Übergrößen, since 2010 :-) Mehr als 15 Jahre Erfahrung in den digitalen Medien, consultant für digitale Kommunikation und PR.

2 Kommentare

  1. Hey,

    echt toller Beitrag und sehr professionell geschrieben. Bin echt begeistert und beeindruckt.
    Auch von der Marke. Bisher dachte ich immer, die Sachen sind zu teuer und zu altbacken. Ich war allerdings heute mal auf der Seite und habe viele ganz tolle Shirts gefunden. Werde wohl demnächst dort mal bestellen. Bin nur immer unsicher mit der Größe. Die Größentabellen stimmen bei mir nie. Bei H&M und Simbly be habe ich 44, bei Sheego und Bon Prix 40/42 wobei bei Sheego manche Shirts an mir auch wie Zelte aussehen trotz meines Übergewichts. Dafür bin ich halt sehr klein :-) Da es bei Ulla Popken keine 40/42 gibt, werde ich mal die 42/44 probieren. Bin mal gespannt.

    Das Oberteil mit den Spitzen und den Schmetterlingen, das du in die Kamera gehalten hast, fand ich unglaublich süss. Konnte es aber weder in der April noch in der März Vorschau entdecken. Ich hoffe, es kommt noch. Ich denke das Teil ist echt ein Must Have für den Sommer. Sowas habe ich schon immer gesucht. Schmetterlinge liebe ich ja auch :-)

    Ich freue mich auf jeden Fall auf mehr solcher Beiträge von dir und hinterlasse mal Liebe Grüße und ein Danke für deine tolle Seite!

    Jill

  2. Hi,

    Wow, ne Menge Eindrücke. Habe mir auch den Film gerade angeschaut.

    Bei der Ulla war ich immer weniger einkaufen, gerade auch seitdem ich ausländische Anbieter entdeckt hatte, die mit ihren Schnitten einfach „mutiger“ waren und man einfach viel toller aussah.

    Aber der Film hat mich jetzt doch neugierig gemacht. Ein paar Dinge, die im Bild waren, sahen sehr viel versprechend aus (dieses Etuikleid aus der „Selection“-Kollektion“ mit der Blume sah interessant aus). Das Früchtethema hingegen wird wohl an mir komplett vorbeiziehen. Früchte auf T-Shirts habe ich mit 10 Jahren aufgehört zu tragen ;-)

    Ich mag Deinen Rock, den Du im Video trägst gern.

    Vielen Dank für den sehr informativen Beitrag und das Video.

    Viele liebe Grüße,

    Anja

    PS: wieso haben die bei Ihrem Lieblingsteil (diese Weste) keine Ärmel dran gemacht … bin irgendwie nicht so der Westenfan ;-)

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